Vor ziemlich genau drei Jahren habe ich begonnen, barocke Orgelliteratur zu spielen. Derzeit bin ich wieder intensiver an der Passacaglia von Dieterich Buxtehude (BuxWV 161) dran, die ich letztes Jahr zum Jahreswechsel schonmal geübt hatte. Damals dachte ich nicht, dass mich das Stück, im wahrsten Sinne des Wortes, noch so lange beschäftigen würde. Wie kann das sein?
Bis Juni diesen Jahres übte ich noch so, dass ich nur an wenigen kritischen Stellen Fingersätze in die Noten schrieb. Dazwischen vertraute ich darauf, dass meine Finger von alleine laufen, während ich das Stück im Kopf ablaufen lasse. Die Stücke übte ich stets, indem ich sie von vorne bis hinten durchspielte. Leider führt das nicht dazu, dass ich die Stück zuverlässig auf Anhieb spielen kann. Sie klappen immer erst beim dritten oder vierten Durchlauf “irgendwie”.
Inzwischen zerlege ich die Sücke in Fragmente, spiele stets mit dem gleichen Fingersatz, übe jedes Fragment mehrmals in Schleife und reduziere das Tempo so weit, dass ich jede Unzulänglichkeit sofort bemerke. Leider führt das noch immer nicht dazu, dass ich die Stücke zuverlässig erlerne. Es gibt Stellen, die zu spielen sich meine Finger schlicht weigern, egal wie oft ich sie übe und egal welchen Fingersatz ich bisher probierte.
Meine Fingersätze zielen darauf ab, alle Stellen vollkommen legato spielen zu können. Im Laufe der Zeit fange ich dann an zu entscheiden, wo ich bewusst nicht legato spielen möchte. So verfüge ich über den größtmöglichen Spielraum für die Interpretation. Zumindest theoretisch. Solange sich aber meine Finger weigern, habe ich exakt keinen Spielraum :) .
In seiner »Orgelschule zur historischen Aufführungspraxis« beschreibt Jon Laukvik ab Seite 36 den “Alten Fingersatz”. Dieser ist deutlich weniger auf Legato aus als der heutige, der Romantik bzw. Marcel Dupré entstammenden Technik mit vielen Daumenuntersätzen. Früher galt das Interesse viel stärker auf der Schwere der Zählzeiten als auf einem möglichst perfekten Legatospiel.
Heute bin ich zufällig über die Videoreihe »Von der Natürlichkeit der Fingerverteilung in der Musik von J.S.Bach« mit Ingo Bredenbach, bestehend aus Teil eins, zwei und drei, gestolpert, in denen er sich unter anderem auf Laukvik bezieht. Besonders spannend fand ich Teil 1 und die zweite Hälfte von Teil 3. Auch von Daniel Roth gibt es einen kurzen Ausschnitt zum Thema.
Ich werde versuchen mit den neuen Erkenntnissen nochmal an den Fingersätzen der Passacaglia zu arbeiten. Ob das die (Er)lösung bringt wird sich zeigen.